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Samstag, 27. Juni 2020

Bestandsaufnahme á la Julia Engelmann

Was ich hab


- Ich habe sooo viele Geschichten zu erzählen, so viele Ideen, so viel vorgearbeitet, recherchiert, geschrieben, überarbeitet.

- Ich hab das passende Arbeitsmaterial in Form von gut funktionierendem und angenehm drauf zu schreibenden Laptop da.

- Ich hab Zeit (meistens).

- Tagträume (und manchmal auch Nachtträume ;)), die mich in meine selbst ausgedachten Welten entführen.

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Was ich hab, aber nicht will


- Zweifel. An mir und dem Schreiben. Ist es das, was ich für immer will? Meistens ja, manchmal nein. 

- Absolute Ideenlosigkeit (ob vorgeplottet oder nicht, ob grobe Idee oder stark skizziert, ganz gleich), was ich schreiben soll, wenn ich Lust dazu habe.

- Sonderprobleme aus der Vergangenheit, die mir im Nacken sitzen. Größtenteils privat und die bedürfen meiner Energie mehr. Aber auch beruflich. Schreiben? Ja. Erfolg damit und irgendwann davon leben? Nein. Warum nicht? 

- Selbstzweifel. Frei nach: Ich gerate bestimmt wieder an so einen komischen Hansel von Verleger. Ich kann nicht richtig einschätzen, wer es ernst mit mir als Autorin und mit dem Manuskript meint, das ich abliefere. Niemand will lesen, was ich schreibe (was nicht stimmt). Ich bringe eh nichts Gehaltvolles zustande (Okay, jetzt wird's weird).

- Anerkennung für geleistete Romane. Klingt komisch? Ja, ich weiß. Wenn man aber alle Romane, die man bislang veröffentlicht hat, wieder aus dem Verkehr ziehen muss (Purlunas 1, weil mit dem Verleger verkracht; Grenzenlos, weil ich stehe nicht mehr hinter dem, was ich geschrieben habe; Lexi Littera 1-3 und Brautsee befinden sich noch im anwaltlichen Kampf, dass sie nicht weiter vom Verlag verkauft werden, der mich wiederum seit Jahren nicht bezahlt), kann man das "Wenigstens hast du etwas geschaffen, das nach dir bleiben wird" oder "Wow, du bist ja echt ne richtige Autorin!" oder auch "Ich finde deine Romane voll toll" irgendwie zur Qual. <-- (Beweis: Schachtelsätze kann ich mega gut! XD)

- Hang zum schnellen Eskapismus. Ich will raus hier. Das geht am Einfachsten, wenn ich mich forttragen lasse und dafür bei Ideenlosigkeit nix tun muss.

- Depressionen und andere quirlige Kleinigkeiten. Die machen den Alltag auch nicht leichter und manchmal zum puren Überlebenskampf. (Siehe Eskapismus)

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Was ich nicht hab


- Disziplin. Zumindest nicht beim Schreiben. Ich bin leicht ablenkbar, schnell überfordert mit meiner Umgebung und kann mich schwer konzentrieren. Zwischenmenschliche Kontakte ziehen die Energie komplett aus mir heraus, sodass ich oft schlafen muss, obwohl ich gerne etwas ganz anderes tun wollen würde (demnächst folgt ein Arzttermin, der dann mal rausfinden soll, ob die Schilddrüse vielleicht auch der Übeltäter sein könnte).

- Begeisterung aka Motivation. Wozu schreibe ich? Die uralte Frage, die sich die meiste Autoren irgendwann stellen. Im Idealfall: Für mich. Mag ich meine Ideen? Und wie! Denke ich, dass sie irgendjemanden etwas nutzen? Keine Ahnung. Wieso muss alles einen Nutzen haben? Und dann bin ich da verknüpft mit der:

- Anerkennung. Ich habe ein Problem auf vielen Ebenen damit. Zuerst einmal ist mein Gehirn getrimmt auf "Ich mach das mal und dann ist das gut". Ist es das nicht, verliere ich die Motivation. Lange für etwas arbeiten müssen, ja, das kann ich. Aber das ist aktuell nicht das, was ich brauche (und ich glaube, da liegt der Knackpunkt). Dann Anerkennung von außen zulassen. Wie geht das? Keine Ahnung. Ich arbeite aber daran. Aber es liegt auch ein bisschen daran (und ich hasse es, das festgestellt zu haben), dass ich relativ wenig Anerkennung bekomme. Ich habe maximal zwei bis drei Personen, die meine Geschichten unbedingt lesen wollen. Okay, an sich habe ich überhaupt jemanden, der sie lesen möchte, das ist schön! Aber ... ich glaube, das reicht mir nicht. Und ich brauche nicht nur Testleser, ich brauche Betaleser, Menschen, die mich besser machen, in dem, was ich gerne tue, die nachfragen, die Interesse auch an mir haben. Tatsächlich ist das etwas, das mir sehr fehlt und mich auch hemmt. Nächster Punkt: Sich selbst Anerkennung zollen. Öhm, ja. Ich werde besser darin, sagen wir es so :).

And last but not least:

- Zeit. Moment mal, hab ich nicht oben geschrieben, dass ich Zeit habe? Ja. Hab ich. Und wiederum hab ich sie auch nicht. Denn wer so verwebt ist mit seinem Weg aus der Depression, der ganzen Angstschei*e, den Selbstzweifeln, der Überforderung, dem Drang zu entfliehen und in irgendwas einfach so mal gut genug für sich selbst zu sein, der hat keine Kraft, Zeit, Energie für irgendwas anderes.

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Manche Unkenrufe höre ich auch jetzt schon. Baaah, stell dich nicht so an! So schwer ist das Leben nicht. Du musst mal öfter rausgehen, hat mir immer gut geholfen. Mal mit Sport probiert? Die Ernährung ist bestimmt schuld. Denk einfach mal nur an die schönen Sachen. Tja, entweder man will etwas und tut es oder man tut es nicht, dann will man aber auch nicht.
Jaja, schon kapiert, das Leben ist leicht und schön und es gibt keinen Grund, sich mit Problemen ernsthaft auseinanderzuseten!

Nichtsdestotrotz hab ich Dinge auf meiner Haben-Seite, die das Nicht-Haben zwar nicht ausgleichen, aber da sind. Und trotz alledem sind sie immer noch da. Quälen mich manchmal, bereiten mir doch auch Freude und sind einfach anwesend. Und solange die noch existieren, gebe ich das Schreiben nicht dran. Mag da kommen, was will, ich träume weiter und arbeite auf die Zeit hin, in der ich sagen kann: Die Haben-Seite wiegt mehr. Und der Rest hat abgenommen. Ich kann wieder schreiben.

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